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Der Rottweiler

Der moderne Typ

Die kleine Kreis­stadt Rott­weil war einst eine römische Nieder­lassung, ab dem 13. Jahr­hundert dann freie Reichs­stadt. Sie ent­wickelte sich in der Jahr­hunderte zu wichtigen Handels- und Verwaltungs­zentrum. Rott­weil war Sammel­punkt, Markt Umschlag­platz zu­gleich aus dem Westen (Frankreich) und dem Osten (Ungarn) sowie aus der Schweiz kommenden Vieh­herden. Die Händler, die auf dem Markt in Rott­weil ihr Vieh ver­kauften, führten Hunde mit sich, die das – meist halb wilde und ziemlich un­bändige – Vieh trieben und kontrollierten und die Herden vor vier- und zwei­beinige Räubern zu schützen hatten.

Der Treib­hund­schlag, der in der Region um Rott­weil herum vor­kam, wurde zu­nächst als «Rott­weiler Metzger­hund» be­zeichnet, denn es waren vor allen die Metzger, die diesen Hund hielten und züchteten. Zu jener Zeit, als es noch keine Kühl­systeme gab und es nicht üblich war, dass Metzger «fertiges» Fleisch ein­kauften, bestand die einzige Möglich­keit des Transports von den Weiden zum Ver­braucher in den Städten darin, lebendes Vieh unter Mit­hilfe kräftiger Treib­hunde zu Fuss zu den Schlacht­häusern zu treiben, und dies teil­weise über Hunderte von Kilo­metern.

Diese Unter­nehmen waren oft lang­wierig, an­strengend und gefährlich. Wilde Tiere und zwei­beinige Diebe hielten überall nach einem Stück Fleisch Aus­schau. Die ge­triebenen Rinder bestanden aus zusammen­gewürfelten Herden mehrerer Bauern, was einen Herden­zusammen­halt ver­hinderte und es schwierig machte, die Tiere im Griff zu halten. Die Treib­hunde mussten mutig, stark, durch­setzungs­fähig, hart im Nehmen und aus­dauernd genug sein, um die Herden durch un­be­kanntes Ge­lände und Ge­wässer zu treiben. Sie durften dabei keine Un­ruhe unter dem Vieh ver­breiten, sondern sollten dieses zügig, aber ohne Hektik vor sich her treiben.

Ferner mussten sie wendig und reaktions­schnell genug sein, um aus­brechende Tiere zurück zur Herde zu zwingen und den Tritten aus­schlagender Rinder aus­zu­weichen. Kurzum: diese Hunde mussten ständig auf der Hut sein, selbständig handeln und sich in allen Situationen durch­setzen, ohne dabei Vieh zu ver­letzen, was den Verkaufs­wert ge­mindert hätte. Man er­wartete ausser­dem einen an­ge­borenen Schutz- und Wach­trieb. Noch 1846, so ist in dem 1876 er­schienenen «Buch der Hunde­lieb­haber» zu lesen, konnte man sich kaum einen Metzger vor­stellen, welcher nicht zum Treiben der für die Schlacht­bank bestimmte Tiere einen Hund gehabt hätte. Es ist über­liefert, dass man diesen Hunden sogar die gut ge­füllte Geld­börse um den Hals band, weil sie dort am sichersten vor Dieb­stahl war.

Auf ihre Art trieben die Metzger und Vieh­händler jener ver­gangenen alten Zeit eine harte, auf reines Leistungs­vermögen ab­ge­stellte Zucht­auswahl. Wer eine tüchtige, in der praktischen Arbeit be­währte Hündin sein eigen nannte, liess sie nur von einem Rüden decken, von dessen eben­falls guter Arbeits­leistung er über­zeugt war. Äusser­lich­keiten spielten keine oder höchstens eine untergeordnete Rolle – wenn nur beide Eltern­tiere kräftige und er­probte Arbeits­hunde waren. Diese kraft­vollen, stämmigen Hunde waren ausser­dem imstande, kleine Metzger­karren zu ziehen. Mit dem Auf­kommen der Eisen­bahn in der zweiten Hälfte des 19. Jahr­hunderts be­nötigte man immer weniger Hunde für den Vieh­trieb. Nach dem gesetz­lichen Verbot, Tiere über weite Strecken zu treiben, wurde das Ziehen der Metzger­karren, mit denen die Metzger ihre Ware auf den Markt oder zu ihrer Kund­schaft brachten, zur Haupt­aufgabe des «Rott­weiler Metzger­hundes». Auch Kälber und Schweine holte man mit dem Hunde­fuhrwerk auf dem Bauern­hof ab und brachte sie damit zur Metzgerei. Bäcker, Milch­männer und andere Handels­treibende spannten die Hunde eben­falls vor ihre Karren. Die Vier­beiner zogen mühe­los Ge­wichte bis zu zehn Zentnern und legten dabei ein beträchtliches Tempo vor.

Doch mit der Zeit fiel diese Auf­gabe flach. Pferde und Esel über­nahmen das Karren­ziehen. Damit schienen die Tage des «Rott­weiler Metzger­hundes» gezählt zu sein, und eine zeit­lang sah es um seine Zukunft recht düster aus. Im Jahr 1905 gab es in Rott­weil selbst nur noch eine einzige Hündin. Diese Situation ver­an­lasste den Kynologen Ludwig Beckmann 1895 zu der Fest­stellung, dass eine nähere Be­schreibung der Württemberger oder Rott­weiler Metzger­hunde nicht lohne, weil diese ohne­hin ver­schwänden. Aber Beckmann sollte nicht recht behalten.

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